Gendern oder nicht gendern – das ist hier die Frage

8. März 2021 Sprache

Die genderneutrale Sprache ist auf dem Vormarsch: Immer mehr öffentliche Einrichtungen und Medienunternehmen versuchen, ihre Texte möglichst gendersensibel zu verfassen – mit unterschiedlichem Erfolg. Vor allem das Gendersternchen findet sich mittlerweile immer öfter in Newslettern, Formularen und Websitetexten. Auch viele meiner Kunden fragen, ob sie ihre Texte gendern sollen.

Was spricht für eine gendersensible Sprache?

Veränderung

Sprache ist immer im Wandel: Sie lebt und verändert sich mit jeder Generation. Denn auch unsere Gesellschaft und unsere Wahrnehmung verändern sich. Vor allem junge Frauen fühlen sich durch das generische Maskulinum ausgeblendet oder sogar diskrimiert. Dieser gesellschaftliche Wandel darf und sollte durch Sprache ruhig abgebildet werden. Allerdings sollte man nie nur aus reinem Prinzip gendern, sondern Sprache immer kontextabhängig und sensibel betrachten.
Zum Beispiel wirken Flugbegleiter*innen und Tänzer*innen vertraut, da viele Frauen diese Berufe ausüben. Das Gendern fester Begriffe wie Jäger*innen und Sammler*innen hingegen erscheint uns unnatürlich.

Sichtbarkeit

Sprache beeinflusst Denkmuster. Wird im Text das generische Maskulinum verwendet, tendieren Leser bei der Interpretation dazu, Frauen „zu vergessen“. Andererseits kann das bewusste Sichtbarmachen von Frauen in der Sprache dazu beitragen, dass sich stereotype Rollenbilder verändern.

  • In unserer Praxisgemeinschaft arbeiten mehrere Fachärzte für innere Medizin.
  • In unserer Praxisgemeinschaft arbeiten mehrere Fachärztinnen und -ärzte für innere Medizin.
  • Am Marathon nahmen 500 Läufer teil.
  • Am Marathon nahmen 500 Läufer*innen teil.
Positionierung

Nachhaltigkeit, Diversität und Gleichstellung sind die Themen der Stunde – hochaktuell und hochpolitisch. Ein Unternehmen, das bewusst eine gendersensible Sprache verwendet, bezieht Stellung und zeigt sich weltoffen, modern und bereit für Veränderungen. Möglicherweise kann es so eine jüngere, weniger konservative Zielgruppe ansprechen.

Kundenzufriedenheit

Vor allem große Unternehmen bieten zusätzliche Angriffsfläche, wenn sie stereotype Rollenbilder oder das generische Maskulinum verwenden. Einige Kundinnen möchten nicht als „Kunde“ oder „Nutzer“ bezeichnet werden. Personen, die sich nichts als „weiblich“ oder „männlich“ definieren, möchten auch in der Anrede nicht als „Frau“ oder „Herr“ betitelt werden.

  • Wir stellen ein: Frontend-Entwickler
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Was spricht gegen eine gendersensible Sprache?

Barrierefreiheit

Das Gendersternchen ist als Zeichen nun mal ein Sternchen und wird als solches von vielen elektronischen Readern vorgelesen. Deshalb nutzen einige Unternehmen den Doppelpunkt als Alternative, da dieser als kurze Pause interpretiert wird.

Konsistenz

Bisher haben sich noch keine einheitlichen, verbindlichen Regeln durchgesetzt. Vor allem Hochschulen und größere Unternehmen erstellen eigene Leitfäden, die mal mehr, mal weniger streng ausgerichtet sind und auch in sehr unterschiedlicher Konsequenz angewendet werden. Denn in der Praxis erweist es sich oftmals als schwierig, die genderneutrale Sprache durchgehend anzuwenden.

  • Der Nutzer ist zur Geheimhaltung seiner Zugangsdaten verpflichtet.
  • Der*die Nutzende ist zur Geheimhaltung seiner*ihrer Zugangsdaten verpflichtet.
Textlänge

Gerade im Marketing gilt: Texte wie Headlines und Teaser sollen möglichst kurz und prägnant sein. Wenn Schreibweisen mit Gendersternchen oder Umformulierungen genutzt werden, kann sich die Zeichenzahl deutlich erhöhen.

  • Im Zirkus erwartet Sie eine spannende Vorstellung mit Akrobaten, Zauberern, Jongleuren, Pantomimen und vielem mehr.
  • Im Zirkus erwartet Sie eine spannende Vorstellung mit Akrobat*innen, Zauberkünstlern, Jongleur*innen, Pantomim*innen und vielem mehr.
  • Fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker.
  • Holen Sie sich ärztlichen oder pharmazeutischen Rat.Holen Sie sich bei Fragen ärztlichen Rat oder erkundigen Sie sich in Ihrer Apotheke.
Emotionalität

Genderneutrale Sprache kann einem Text die Leichtigkeit nehmen. Texte, die emotional berühren, orientieren sich eher an einer gesprochenen, sehr bildhaften Sprache. Manche gelernte Stereotypen besitzen ihren ganz eigenen Charme und rufen beim Leser sofort bestimmte Assoziationen hervor. Hingegen können genderneutrale Begriffe schnell künstlich, konstruiert und wie Beamtendeutsch klingen. Entscheiden Sie selbst, welche der folgenden Sätze Sie mehr ansprechen:

  • Sie erinnerte sich an den kleinen Tante-Emma-Laden, in dem es immer nach frischem Kaffee duftete.
  • Sie erinnerte sich an den kleinen Laden für Waren des täglichen Bedarfs, in dem es immer nach frischem Kaffee duftete.
  • In unserer Klinik legen wir Wert auf ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen Arzt und Patient.
  • In unserer Klinik legen wir Wert auf ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen ärztlichem Fachpersonal und Patient*in.
  • Beim Thema Nachhaltigkeit unterstützt uns unsere Partnerorganisation  …
  • Beim Thema Nachhaltigkeit unterstützt uns die mit uns kooperierende Institution …
SEO

Um Websites für Suchmaschinen zu optimieren, werden in den Texten gezielt bestimmte Keywords verwendet. So liefert die Suche nach „Studentenjobs“ ca. 2.120.000 Ergebnisse, während das genderneutrale „Studierendenjobs“ nur 12.900 Treffer bringt. Bei der Alternative „Jobs für Studierende“ zeigt Google immerhin direkt den Hinweis an: „Enthält auch Ergebnisse für Jobs für Studenten“. Eine Website, die durchgängig die genderneutrale Sprache nutzt, könnte im Hinblick auf SEO an Boden verlieren.

Grundsätzlich empfehle ich, sich differenziert mit dem Thema gendersensible Sprache auseinanderzusetzen und den Schritt zu wagen.
Wenn Sie mehr zu genderneutralen Texten erfahren oder Ihre Texte entsprechend anpassen möchten, kontaktieren Sie mich gerne.